Venezia

Bauzaun in Venedig

Nachrichten bezüglich meines Todes sind stark übertrieben - vielmehr lag der Grund für den vorhergehenden Hiatus in einer Exkursion nach Venedig. Im Rahmen eines Oberseminars brachen wir also - natürlich fachkundig angeleitet und ebenso präpariert - in die Inselstadt auf, um dort dem Mythos derselben nachzuspüren.

Da ich leider keine Zeit zum Postkartenschreiben hatte, ist dieser Blogeintrag auch quasi eine nachgereichte Postkarte - für all diejenigen, die eine solche verdient haben. ;-)

Ansicht unserer Unterkunft in Venedig vom Garten her

Nach einem kurzen Flug - der ebenso wie der Rückflug von Sicherheitstheater eingeläutet wurde - fuhren wir mit dem Bus vom Flughafen Marco Polo bis zum Piazzale Roma, von wo wir uns zu Fuß bis zur Unterkunft, einem leicht heruntergekommen, aber trotzdem charmanten Palazzo, in dem auch Biennale-Ausstellungen waren, bewegen mußten - ein Vorgeschmack auf die folgenden Tage.

Das Programm war stramm, wir sahen viel und das meiste erfreulicherweise Abseits der normalen touristischen Pfade - ein wenig steckt es es mir aber immer noch in den Knochen. Die Struktur Venedigs verlangt Reisenden einiges ab: “normaler” ÖPNV in Form von Bus, Tram oder U-Bahn existiert nicht, einzig die Vaporetti bieten eine Alternative zum Fußmarsch. Und diese Alternative ist ein eher langsamer und teurer Spaß bzw. bietet nur eine bedingte Erleichterung, wenn das Ziel nicht in Ufernähe liegt. Der Vorteil liegt natürlich andererseits darin, daß die Altstadt quasi eine riesige Fußgängerzone ist und man vollkommen ungestört durch die Unbillen des Verkehrs ist.

Espresso-Tasse von Rosa Salva

Venedig als Stadt wirkt irreal: allein schon der Ort an dem es sich befindet. Wer - der gesunden Verstandes ist - käme auch schon auf die Idee eine Stadt auf einigen Inseln und noch viel mehr Pfählen zu errichten? Diese Irrealität wird durch den Disneyland-Charakter, den die Stadt an einigen Stellen besitzt, noch zusätzlich verstärkt. Auf (echte) Einwohner stößt man auch nur sehr selten - die meisten Menschen, denen man begegnet, sind selbst Touristen. Durch den starken Tourismus wirkt Venedig auch wesentlich größer und bewohnter, ich hatte nie das Gefühl mich in einer Kleinstadt zu befinden, was die Altstadt mit 60.000 Einwohnern effektiv ist.

Ungewöhnlich ist Venedig auch in einiger anderer Hinsicht: Selten habe ich so viele Kirchen auf so kleinem Raum gesehen - und vor allem gehört, auch nachts. Aber auch das unwahrscheinlich große Kulturangebot ist für eine Stadt dieser Größe alles andere als normal.

Klimatisch war es zu Beginn der Woche eher unerträglich: schwül-warm und selbst nachts kühlte es nicht merklich ab, gegen Ende der Woche wurde es erträglicher oder ich hatte mich daran gewöhnt. Nebenwirkung dieses meteorologischen Ausnahmezustands war die Notwendigkeit mit offenen Fenstern zu schlafen - was besonders die Moskitos freute. Mit Fug und Recht kann ich festhalten, daß venezianische Moskitos mindestens genauso stichfreudig wie sizilianische oder ligurische sind - Autan allein reichte nicht zur Bekämpfung aus.

Plakat in Venedig

Das Klischee einer dreckigen Stadt erfüllte Venedig nicht wirklich - auch wenn man immer ein Auge auf dem Boden haben sollte, um nicht in die Hinterlassenschaften eines der zahlreichen Hunde zu treten, die vollkommen ungeniert (und häufig auch unbegleitet) mitten auf dem Platz defäkierten. Wer die Gelben-Sack-Tage aus Saarbrücken kennt, wunderte sich auch nicht mehr über die Mülltüten, die man in Venedig am Straßenrand stehen sehen konnte.

Erstaunlich selten habe ich Katzen gesehen - der Legende nach sollen die meisten beim Einsturz des Campanile am Markusplatz umgekommen sein.

Katze in Venedig

Wer gerne das Hohelied auf die Servicewüste Deutschland anstimmt, der sei für ein paar Tage nach Venedig geschickt - womit jetzt nicht gesagt werden soll, daß man dort grundsätzlich schlecht bedient wird. Vielmehr fielen mir zwei Dinge auf, die einfach ärgerlich waren:

  1. Der Affentanz, den es bedeutete, nicht passend zu bezahlen. Aus irgendeinem Grund gibt es wohl kein funktionierendes System zur Ausstattung von Läden, Museen, Cafés &c. mit hinreichenden Mengen Wechselgeld. Mir passierte es häufiger, daß erst nach längerer Diskussion herausgegeben wurde - und das nicht in Fällen in denen ich einen Rechnung von 3 € mit einem 50 €-Schein bezahlen wollte.
  2. Verkaufsstellen der Fahrkarten für die Vaporetti waren meistens nur bis 15.00 Uhr geöffnet - man konnte zwar auch in den Tabacchi an Karten kommen, aber die mußte man dann erstmal finden … Fahrkartenautomaten gab es nicht.

Diesmal war ich auch auf Burano und Torcello - Murano ließen wir aus. Bei Burano kann ich die Faszination nicht wirklich nachvollziehen - die Häuser sind bunt, gut, und man kann Spitze kaufen. Nice too see, aber auch nicht mehr. Torcello ist mehr oder minder Einöde, die dort stehende Kirche ist dennoch sehenswert und das nicht nur wegen ihres Alters. Insgesamt war die Lagunenerkundung mit den beiden Inseln eine nette Abwechslung mit langen Bootsfahrten.

Aushang in Venedig

Von den Preisen ging Venedig auch - wenn man beim Essen bescheiden blieb und sich nicht unbedingt hinsetzen mußte. Caffè konnte man sich durchaus auch im Sitzen leisten und Spritz sowieso.

Was bleibt also? Im Gegensatz zu meinem ersten (bewußten) Venedigbesuch vor acht Jahren kam mir dieses mal die Stadt bei weiten nicht so unecht und touristisch vor - ob es jetzt am Programm, der Exkursionsleitung, der Jahreszeit oder auch am längeren Aufenthalt lag, vermag ich nicht eindeutig zuzuordnen. Ich denke, daß ich sicher nicht das letzte Mal dort war - und diesmal würde ich die Stadt sogar weiterempfehlen.

Reiterstandbild eines Condottiere in Venedig

Discussion

Britta, 2007-07-01 23:32

Wie darf man den Wohnungsaushang verstehen? Müssen sich die armen Studenten in Bella Venezia jetzt schon die Betten teilen? Oder ist nur mein Italienisch so schlecht?

Stephan Rosenke, 2007-07-02 11:13

Si, si! Den Preis für die zwei Zimmer fand ich nicht so schlimm, aber die empfohlene Belegung war dann doch etwas ungewohnt.

Es ist auch nicht direkt in der Altstadt von Venedig, sondern in Mestre - einer der häßlichen Schwestern Venedigs.

Britta, 2007-07-03 20:10

Ach so. Noch mal nachgeschaut. <camera> heißt gar nicht 'Bett', wie mein hispanisiertes Gehirn (<cama>) dachte. Dann geht's ja noch. Obwohl… das hieße ja zu Ende gedacht: Dreibettzimmer? Hm… Und ich dachte, ich hätte es damals in Spanien schon schlecht getroffen mit einem 4-Quadratmeter-Zimmer ;)

Stephan Rosenke, 2007-07-03 21:24

Ja, Zwei- bis Dreibettzimmer, fand ich auch etwas komisch, aber vielleicht ist ja studentisches Wohnen in Italien anders - Wohnheime in den USA sind ja auch häufig mit zwei Leuten pro Zimmer belegt.

users/rosenke/blog/20070701-venezia.txt · Last modified: 2007-07-28 12:09 by rosenke
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