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Table of Contents
Reformation Excerpte
Reinhard: Reichsreform und Reformation (Gebhardt)
Wirtschaft, Gesellschaft, Verfassung um 1500
§1 Grundlagen und Grundfragen
- Großfamilie Ausnahme in der Unterschicht, auch dort herrschte aus Platzmangel und dergleichen Klein-/Kernfamilie (4-6 Personen, in der Stadt eher weniger) vor, Großfamilie Phänomen der Oberschicht
- durch die Reformation verloren Frauen Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung
- ständische Gesellschaft, auch nicht durch die Reformation aufgebrochen
§3 Städtische Welt
Stadt und Land
- Definition der Stadt über Stadtrecht unzureichend
- Irsigler: Siedlung relativer Größe mit verdichteter, gegliederter Bebauung, beruflich differenzierter und sozial geschichteter Bevölkerung und mehreren zentralen Funktionen politisch-herrschaftlich-militärischer, wirtschaftlicher und kultisch-kultureller Art für eine bestimmte Region
- Blaschke: 13 Merkmale, die aber so selten vorkamen
- Kießling: Stadt zentraler Ort hoher Stufe in der der Hierarchie des jeweiligen zentralörtlichen Systems
- Stadt meistens auch noch ländlich geprägt
Bürger und Einwohner
- keine Egalität: Patrizier, Bürger mit Bürgerrecht, Einwohner, Unselbstständige
- Republik ohne Demokratie
Gewerbe und Handel
- Ost-West-Achse des Lebensmittelfeschäfts
- Südost-Nordwest-Achse des Metall-, Textil- und Gewürzgeschäftes
§4 Krisen und Krisenbewältigung
- Mißernten
- starke Steiferung der Getreidepreise
- stärkere Steigerung der Lebensmittelpreise als derjeningen von gewerblichen Erzeugnissen
- Absinken der Reallöhne
- Ausbau der Armenfürsorge und Unterstellung unter die obrigkeitliche Aufsicht (sowohl in den reformierten Gebieten, wie auch den katholischen), siehe Reichspolizeiordnungen 1530/1548
Blickle: Reformation im Reich
Kirche und Reformation
Volksfrömmigkeit und Kirchenkritik
- “un immense appétit du divin”
- Devotio moderna
- Vertiefung der inneren, persönlichen Frömmigkeit, Nähe zur Mystik
- Christusfrömmigkeit aus der Schriftlesung
- stärkere ungelenkte Bibellektüre im 15. Jahrhundert (14 hochdeutsche, 4 niederdeutsche Übersetzungen der Bibel)
- Predigt
- besonderes Interesse der Gläubigen an der Predigt: Unzufriedenheit mit der sakramentalen Kirche oder Bedürfnis nach rationaler, intellektueller Auseinandersetzung mit Religion
- Prädikantenstellen häufig mit gebildeteren Theologen besetzt
- Stiftungen
- Vorreformation: Bürger, Kooperationen oder Bauern als Stifter
- Stiftungen gab es reichlich, teilweise sogar mehr als davon nutznießende Priester
- sakramentale Frömmigkeit
- Elevation der Hostie bereits segensstiftend
- Ausschluß großer Teile der Bevölkerung von der Messe wegen mangelnder Sprachkenntnisse und räumlichen Gegebenheiten
- Hostienfrömmigkeit
- Schmerzensmannfrömmigkeit
- leidender, nicht triumphierender Christus als Mittelpunkt der Kontemplation/des Gebets
- Verehrungen des Blutes
- Marienfrömmigkeit
- “Rosenkranzfrömmigkeit”
- Wallfahrtswesen
- besonderer Ausdruck der Marienfrömmigkeit
- starkes Ansteigen von Wallfahrten
- Heiligenverehrung
- Fürsprache durch die Heiligen
- Aufkommen der 14 Nothelfer im 15. Jahrhundert
- Ursulaschifflein: Depositenbank für Gebete
- Benennung von Kindern nach Heiligen, germanische Namen werden verdrängt
- bäuerliche Frömmigkeit nicht nur magisch-animistisch, sondern bei Stiftungen auch darauf ausgelegt die Versorgung mit den (dogmatisch heilsnotwendigen) Sakramenten zu gewährleisten
- Kirchenkritik
- Kritik am Papsttum: “gravamina deutscher Nation”, Wendung gegen Einflußnahme der Kurie im Reich bei Besetzung von Ämtern und Gebühren für kirchliche Vorgänge zur “Finanzierung des Renaissance-Papsttums”
- Kritik am Klerus
- mangelhafte Seelsorge, zweifelhafter moralischer Lebenswandel, geringe theologische Bildung
- Gründe: Inkorporationen, Pfründenkumulation
- Hoher Klerus: weitgehend Adlige, für die keine angemessene Beteiligung am Familienerbe möglich war, i.e. nachgeborene Söhne etc.
- Kritik am geistlichen Gericht: hohe und harte Strafen
- Kritik an der Theologie: Kritik an der Scholastik, auch wegen Spitzfindigkeiten
- Kirchenkritik heftig, aber mit weniger theologischer Substanz als im Mittelalter
- Ablasswesen
- Mißbrauch als Einnahmequelle
- Mißverständnis des Ablaßes bei den Gläubigen
Die theologischen Grundpositionen und deren Folgenfür die Ethik und Politik
- Prozesse, nicht von Anfang an geschlossene Systeme
Martin Luther
- Luther steht zwar in katholischer Tradition, jedoch sind seine Neuerungen hinreichend groß, daß seine Lehre als etwas neues und anderes wahrgenommen wird
- eigene Erfahrung: Sündhaftigkeit und Wirkunglosigkeit der kirchlichen Gnadenmittel
- Abkehr von Wilhelm von Ockham: Mensch besitzt keine natürliche Fähigkeit zur Liebe zu Gott
- Abkehr von der Werkgerechtigkeit
- Glaube an Gott ermöglicht, daß der Mensch von Gott gerechtfertigt wird
- Demut, Demütigung und Gewissensangst als Wege zur Gerechtigkeit
- Mensch als Objekt an dem Gott wirkt
- simul iustus et peccator: der Mensch kann nach der Wahrnehmung der Sündhaftigkeit durch Gott gerechtfertigt werden. sola fide, sola gratia
- das Mittel, um zum Glauben zu kommen ist das Evangelium: sola scriptura, womit die Institution Kirche als Verwalterin der heilsbringenden Sakramente überflüssig wird
- das Evangelium (als über Christi Leben) erhält bei Luther sakramentale Wirkung
- eigentlich nur ein Sakrament: Christus. Taufe und Abendmahl eigentlich nur sakramentale Zeichen
- Auslegung des Evangeliums bisher Sache der Kirche
- Luther macht Evangelium autonom: sui ipsius interpres
- Dogma und Kirchenrecht werden damit obsolet: Freiheit
- (christliche) Freiheit: Wurzel in der Rechtfertigungslehre, Gewissen
- Freiheit != freier Wille, keine politische Freiheit, wirkte gegen Menschenrechte bei Ulrich Zasius und Erasmus
- Kirche ist Gemeinschaft Christi mit den Seinen, Gemeinschaft der Gläubigen
- Priestertum aller Gläubigen, Verkündigung konstitutionell für Kirche
- Gemeinde als Basis, Wahl des Seelsorgers, Bestimmung der richtigen Lehre
- Luther und Beruf
- Ablehnung von Mönchtum/Werkgerechtigkeit
- “sittliche Qualifizierung des weltlichen Berufslebens” (Max Weber, 56)
- Weiterentwicklung des Berufs durch Calvinismus
- Zugleich bei Luther: nur Gottlose streben nach Gewinn
- Fazit (57)
- Luther und die Obrigkeit
- Zwei-Reiche-Lehre: geistliches und weltliches Regiment (auf gleicher Ebene, beide von Gott eingesetzt)
- geistliches Regiment: wird von Gott in der Kirche durch das Wort ausgeübt
- weltliches Regiment: um die Welt vor Vernichtung durch die Nicht-Gläubigen zu bewahren, wird durch (die von Gott eingesetzte) Obrigkeit ausgeübt
- Folge des Sündenfalls
- Notordnung
- Obrigkeit = Vater
- Folge: statische Staatsauffassung
- Luther und das Haus
- drei Stände:
- status ecclesiasticus
- status politicus
- status oeconomicus
- jeder ist in jedem Stand
- Luther in Bezug auf die Obrigkeit nahe an Paulus: Paulus lebte jedoch nahe der Endzeit
- Summa 61 ff.
Huldrich Zwingli
- schmalerer kirchlicher und staatlicher Hintergrund als Luther
- zunächst wirksamer als Luther
- Herkunft aus dem Toggenburg (Herrschaft St. Gallen)
- Nähe zu Erasmus, nationaler und christlicher Humanismus
- sozialkrisitischer Ansatz aus seinen Erfahrungen als Feldprediger: Verurteilung des Solddienstes
- Zwingli in der Substanz der Rechtfertigungslehre nahe bei Luther: sola gratia, sola scriptura, sola fide; gleiches Kirchenverständnis
- Unterschiede zu Luther in der Christologie: assumtio carnis in Jesus, jedoch bei Luther Gott und Mensch gleichwertig, bei Zwingli Gott aktiv und Mensch passiv bei der assumptio carnis
- Luther erkennt in Evangelium und Gesetz Gegensatz
- Zwingli: Evangelium und Gesetz vereinigen sich in den Herzen der Gläubigen, was zu einer stärkeren innerweltlichen Relevanz führt. Früh theokratische/staatskirchliche Züge.
- Obrigkeit
- gleiche Axiome: der Mensch ist der Obrigkeit Untertan
- Luther gesteht nur passiven Widerstand in Glaubensfragen zu
- Zwingli gesteht auch aktiven Widerstand zu, wenn die Gesetze gegen Gottes Gesetz laufen
- bei Zwingli kommt die Legitimität der Herrschaft in der Konformität derselben mit dem Evangelium zum Ausdruck
- gegen andere Menschen: Naturgesetz (Bergpredigt) als Gesetz
- Erbsünde als Begründung falls Obrigkeit nicht den Prinzipien entspricht
- Naturgesetz erschließt sich nur den Gläubigen
- positives Recht des Staates muß sich dem Naturgesetz anpassen
- Volk muß zur Erkenntnis des Naturgesetzes geführt werden - immer nur näherungsweise möglich
- geregelte Absetzung, falls Obrigkeit nicht eine christliche ist
- beste Staatsform: Aristokratie/Republik
- kirchliche und politische Gemeinde konnten ineinander aufgehen
- Ablehnung der Realpräsenz Christi in Brot und Wein: Christus ist in der Gemeinde anwesend
- menschliche Gerechtigkeit ist Obrigkeit, daher göttlichem Willen entsprungen
- bei Zwingli die Gerechtigkeiten/Gesetze nicht strikt in zwei Reiche getrennt, sondern komplementär
- getrennt durch die Erbsünde, entspringend aus dem göttlichen Willen
- summa (72)